Göschenen: historische Analyse Göschenen liegt im Talkessel an der Einmündung des Göschener Tals ins Reusstal. Noch Mitte 19. Jahrhundert wurde das Göschener Tal als Haupttal bezeichnet (Auszug ISOS). Bis ins 19. Jh. war Göschenen ein Bauerndorf und Durchgangsort für Säumer. Das kompakte Unterdorf mit Herbergen und Brücke war auch Zollstation. Mit dem Bau der befahrbaren Gotthardstrasse um 1830 wurde die alte Siedlung vom Verkehr abgeschnitten. Die neue Strasse führte nun nicht mehr durch die enge Unterdorfstrasse zur alten Brücke hinunter, sondern überquerte die Göschener Reuss bereits vor dem damaligen Ort auf einer hohen Bogenbrücke. Die Dorfentwicklung folgte der neuen Strasse (Auszug ISOS). Mit dem Bau des Gotthardbahntunnels Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Einwohnerzahl des Dorfes auf über 3‘000, wobei die Bauarbeiter mehrheitlich in den naheliegenden Baracken „wohnten“. Aus dieser Dynamik entwickelte sich das Oberdorf mit Bahnhof rechtsseitig sowie die Ortserweiterung mit Kirche und Schulhaus linksseitig der Göschener Reuss. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Zuge des Baues des Gotthard Autobahntunnels, setzte die Entwicklung am Fuss der linken Bergflanke fort, mit einigen 6-geschossigen Blockwohnbauten und mit einigen umliegenden, gestreuten Einfamilienhäusern. Aus dem ISOS Inventar geht hervor: Ausserdordentliche architekturhistorische Qualitäten des Dorfkerns als historischer Zollort mit gut erhaltener Brücke und Brückentor am alten Gotthardweg sowie durch die klar ablesbaren Ortserweiterungen mit zeittypischen Einzelbauten längs der Gotthardstrasse und der Bahnlinie: repräsentative Bahnhofbauten, Wohn- und Geschäftshäuser 2.H. 19. Jh, Hotelbezirk sowie Kirche (neuromanisch 1897) und Schulhaus (1908). Aus dem ISOS Inventar geht weiter eine Innere Freifläche hervor zwischen dem alten Dorfkern und der Neubebauung hervor, von Bedeutung für die Lesbarkeit der einzelnen Ortsteile.
Zukunftsaussichten von Göschenen Göschenen ist in stetiger Wandlung, durch die Geschichte, durch den Verkehr und die Infrastrukturen, betroffen wie kaum andere Orte. Die Bedeutung als Durchgangsort, wo Reisende anhielten und übernachteten, hielt bis in die 1970er Jahre an. Die neuen Perspektiven könnten im Tourismus-, Erholungs- und Wellnessbereich mit Natur, Sport, Rock & Water liegen, als Ausgangsort einer prächtigen Berglandschaft mit dem Göschenertal. Andermatt und sein Alpenresort stellt ein weiteres Potential dar. In Göschenen könnte sich eine Hotelstruktur mit Ausrichtung auf Sport oder ein Schulferienlager etablieren; ebenso dürften Wohnungen gefragt sein. Die Nachfrage von Wohn- und Arbeitsraum ausserhalb der (teuren) Agglomerationen, in natürlichem Umfeld, gut an den Verkehr angebunden, dürfte in Zukunft zunehmen. Entwicklung Parzellen 71 und 73 Ausgangslage für die Entwicklung der Parzellen 71 und 73 ist eine Bauarbeiterwohnsiedlung für 90 bis 170 Arbeiter, während den Jahren 2022 – 2032. Nach der 10 Jahren währenden Nutzung der Bauarbeiter soll eine definitive Bebauung verbleiben, als Nachnutzung. Unser Projekt geht davon aus, den in der Nachnutzung verbleibenden Hauptbau mit Autoeinstellhalle als erstes zu erstellen, als Zeichen des guten Willens und der guten Einfügung; danach werden die zusätzlich notwendigen Unterkünfte in Modulbauweise hergestellt und in 2 Blöcken montiert, die später zurückgebaut werden.
Konzept Ortsbau: Städtebauliche Einbindung Der Hauptbau, der als Nachnutzung weiterbestehen wird, steht senkrecht zum Hang, am Bergfuss, als Abschluss der Reihe 6-geschossiger Wohnblöcke. Er steht urbanistisch als Kontrapunkt zur Kirche. Diese Reihe von höheren Bauten definiert die innere Freifläche zum alten Dorfkern, wie im ISOS Inventar bezeichnet. Die frontale Anordnung fügt sich in die Reihe der grossen Bauvolumen ein und hält den Durchblick zur begrünten Bergflanke frei. Der Hauptbau ist abgestuft, unter Berücksichtigung der Topographie, der Zonenordnung und der Höhenbeschränkungen; die Abstufung bietet sich als Übergang der grossen zu den kleineren Volumen an und ist dank seiner Dimension und Form mit dem Ortsbild verträglich. Quer zum Hauptbaukörper, parallel zum Hang, liegt im Erdgeschoss der Baukörper der Autoeinstellhalle, als Betonsockel eine Stufe in der Topographie bildend, mit einer darüber liegenden Platzanlage. Die Topografie des Geländes geht natürlich in den Bau über, unter Vermeidung von gefährdenden Abgrabungen. Während der Bauzeit des Autobahntunnels werden zusätzlich zwei Bauvolumen erstellt, bestehend aus Modulen. Die beiden Bauvolumen liegen beidseits des Hauptbaukörpers, eines längs und eines quer zum Hang gestellt, weitgehend Distanzen und Höhen des Baugesetzes berücksichtigend.
Konzept Unterkünfte Tunnelbauarbeiter und Konzept Nach- bzw. Endnutzung: Lineare Struktur - Modul – Flexibilität – Typologien verschiedener Nutzungen Ausgehend von einem Modul von 2.40 x 6.00 m für die Einzelzimmer der Bauarbeiter sieht man eine lineare, stützenfreie Struktur vor, die eine freie Unterteilung mit nichttragenden Wänden und somit eine Vielfalt von typologischen Möglichkeiten ermöglicht. Aus der Verdoppelung entsteht ein grosszügiges Hotel Zweierzimmer von 4.80 x 6.00 mit 28 m2, in dem ein Duschmodul eingefügt werden kann. Dieses einfache konstruktive Konzept ermöglicht den Ausbau verschiedener Nutzungen und Typologien, wie ein Schulferienheim, ein Hotel, Wohnungen verschiedener Grössen oder auch Büros. Aus heutiger Sicht ist es sinnvoll, verschiedene Nachnutzungen vorzusehen und zu ermöglichen, im Sinne einer Flexibilität.
Konzept Architektur Hauptbau Der Hauptbau, bestehend aus 82 Einzelzimmern verteilt über 4 Geschosse, versetzt, soll nach der Nutzung als Arbeiterunterkunft weiter bestehen, den Bedürfnissen entsprechend um- und ausgebaut. Die erforderliche Flexibilität ist durch die Struktur eines Zweispänners gegeben, mit zwei innenliegenden Tragachsen in Längsrichtung und den tragenden Längsfassaden. Im Mittelbereich liegt der Erschliessungs- und der Sanitärbereich. Seitlich bleibt der Raum für die Zimmer frei, in der länglichen Richtung frei unterteilbar, ohne Einschränkung tragender Wände. Im 3° Obergeschoss ist eine grosszügige Terrasse vorgesehen. Diese stellt das Herzstück der Baute dar, als Begegnungsort mitten im Talraum, mit einer herrlichen Sicht in die wunderschöne Göscheneralp gegen Westen und dem Gotthardmassiv im Osten, mit Südbesonnung. Die Längsfassaden sind durch die Fenster der Einzelzimmer bestimmt, während die Südfassade eine zentrale Verglasung in Bezug zu den Gemeinschafträumen hat. Die Fassade ist mit Holzbrettschindeln verkleidet, das Dach aus Blech oder Eternitplatten. Das schmale und lange Zimmermodul der Arbeiter besteht aus einem längs ausgerichteten Bett, einem Waschtisch mit Ablagefläche und Wassererhitzer, einem Schrank, einem Tisch mit Bücherregal, einem Sideboard für persönliche Objekte und einem Sessel vor dem Panoramafenster. Die gross gehaltenen Fenster sind nach Westen und Osten, zur wunderschönen Berglandschaft hin ausgerichtet. Der gemeinschaftliche Sanitärbereich liegt in der Kernzone, von allen gut erreichbar, über die beiden Korridore. Es sind Einzelzellen bestehend aus Duschelementen mit Waschbecken bzw. Toiletten mit Waschbecken, die den Benutzern ein Minimum an persönlicher Intimität geben sollen. Auf jedem Geschoss ist ein Gemeinschaftsraum vorgesehen, nach Süden ausgerichtet, mit Balkon. Im Erdgeschoss, ebenerdig zur Garage, sowie auch im Eingangsbereich im 1° OG liegen Lager- und Technikräume. Die Heizung ist an den Wärmeverbund angeschlossen. Die senkrechte Anordnung der Baute ergibt eine relativ geringe Angriffsfläche der Bergflanke und bietet gleichzeitig den beiden Längsfassaden die weite und wunderschöne Aussicht nach Osten und nach Westen. Der Hauptbau sieht eine Bruttogeschossfläche von gut 2‘000 m2 vor, in Entsprechung der maximal vorgesehenen Ausnützung.
Konstruktion Die Konstruktion besteht aus massiven Holzelemente (X-Lam), welche die Bodenplatten, die tragenden Längswände und die Dachkonstruktion bilden. Die Zwischentrennwände sind als nichttragende Holzriegelwände vorgesehen, mit Gipsfaserplatten und Holzplatten verkleidet. Der akustische Standard entspricht in einem ersten Moment jenem einer Arbeiterunterkunft; durch Hinzufügung einer weiteren Schicht können die Wände auf den Standard eines Hotels angehoben werden. Ein Teil der Innenwände ist weiss gestrichen, ein Teil in Holz, wie die Decken, so dass die Einzelzimmer eine gewisse atmosphärische Wärme erhalten, zusammen mit der Möblierung. Die Böden sind aus Hartbeton und/oder aus Linoleum vorgesehen. Im Fall eines Ausbaues werden diese aus Massivholz sein.
Autoeinstellhalle Unter dem Hauptbau liegt quer die Einstellhalle für 24 Autos, mit ebenerdigem Zugang von der Strasse her und einem direkten Zugang zum Hauptbau. Der unabhängige Zugang ermöglicht die allfällige Vermietung an Aussenstehende. Eine weitere gedeckte Garage mit 14 Parkplätzen ist unter der westlichen Moduleinheit vorgesehen, ebenso mit ebenerdiger Zufahrt. Moduleinheiten 14 und 8 Während der Nutzung als Bauarbeitersiedlung können zwei je 4-geschossige Bauvolumen mit 32 bzw. 56 Zimmern erstellt werden, mit einer frei wählbaren Anzahl bis maximal 88 Einheiten. Die Erschliessungszone mit gemeinschaftlichen Nasszellen und Begegnungsraum werden aus Holz erstellt, angebaut an die Module. Den Modulen vorgelagert ist eine Holzstruktur vorgesehen, als Fassade. Der kleinere Baukörper, basierend auf 8 Modulelementen, steht auf der Decke der Autoeinstellhalle im Osten des Hauptgebäudes, an der Grenze der roten Gefahrenzone, und geniesst zusammen mit dem Hauptbau den Platz über der Einstellhalle. Der grössere Baukörper, basierend auf 14 Modulelementen, steht an Stelle der gegenwärtigen Strohbaracke auf der Parzelle 71. Der Bau steht auf Stützen und ergibt somit im Erdgeschoss einen weiteren Parkplatz für 14 Fahrzeuge. Die Moduleinheiten können in verschiedenen Phasen aus- und rückgebaut werden, bis zur vollständigen Entfernung nach dem Bau.
Umgebung Nach der Nutzung als Bauarbeitersiedlung bleibt der Hauptbau mit seinem Platz an der Ostseite als Hauptzugang bestehen, von den Moduleinheiten befreit. Dieser Platz wird im bestehenden, leicht höher gelegenen, übergehen. Man sieht die Beibehaltung von 7 der bestehenden Garagenboxen und 8 Aussenparkplätzen vor: es scheint, als seien die Trennmauern der Garagenboxen Aussteifungen der Stützmauer. Westlich der Hauptbaute, an Stelle des gegenwärtigen langgezogenen Strohhauses wird eine ebenerdige Freifläche bleiben, welche als Gartenalage gestaltet werden kann. Man sieht eine möglichst natürliche Anpassung an das Gelände vor, mit einem Übergang der Ebene in den steilen Berghang.
Prozedur und Ausführungsplanung In korrekter Reihenfolge müsste das Quartierplanverfahren als Voraussetzung für die Baueingabe des Hauptbaues vorliegen. Dieses korrekte Vorgehen würde es nicht ermöglichen, den Bau Anfang 2022 in Betrieb nehmen zu können. Der Bau muss also ohne Baueingabe erstellt werden, was ein gewisses Risiko nach sich zieht. Die Moduleinheiten sind nicht genau bestimmt und müssen nur für eine kurze Zeit von etwa 5 Jahren bereitgestellt werden. Für alle Bauten wird eine Minergie Ausführung gefordert. Diese besonderen Bedingungen zusammen mit den verschiedenen Gefahrenzonen bringen ein gewisses Risiko mit sich, das sich auf die Kosten auswirkt.
Daten Hauptbau: 82 Einzelzimmer; Moduleinheiten: 32 + 56 Einzelzimmer; total 170 EZ Parkplätze während Nutzung als Arbeitersiedlung: gedeckte 24 + 14 + 7 = 45 P; ungedeckte 8 + 7 = 15 P Parkplätze als Nachnutzung: gedeckte 24 + 7 = 31; ungedeckte 8 + 7 = 15 P